Ende der Herrnhuter Bahn vom Kreistag besiegelt! Redebeitrag vom Kreisrat Thomas Pilz

Zum Sonderkreistag am 09. Mai 2019 zu
TOP 3.2 Errichtung Radverkehrsanlage Herrnhuter Bahn
redete Thomas Pilz zum Änderungsantrag Bündnis 90 / Die Grüne:

Thomas Pilz (Archiv)

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen Kreisräte,
liebe Gäste,

vor einem Jahr haben wir hier gemeinsam beschlossen, die Eisenbahnstrecke käuflich zu erwerben, um sie als Verkehrsweg zu erhalten. Bevor wir weitergehende Entscheidungen treffen, wollten wir wissen, inwieweit die 170 Jahre alte Bahnstrecke für eine zukünftige Nutzung für den Schienenverkehr gebraucht wird.

Die dafür erarbeitete Untersuchung, im übrigen vielen Dank an IVAS für diese umfangreiche Arbeit, kommt zu dem Ergebnis, das die Reaktivierung des Eisenbahnverkehrs auf besagter strecke unter den derzeitigen Rahmenbedingungen mittel und langfristig nicht wirtschaftlich darstellbar ist.
Dieses Ergebnis war zu erwarten, wenn die bestehenden Verkehrsplanungen des Freistaates und des Bundes, die vorhandenen Planungswerke in der Region mit ihren Entwicklungsprognosen für Einwohner, Arbeitskräfte und Schülerzahlen zugrunde gelegt werden. Damit stellt die Studie fest, was wir schon wissen.
Sie nimmt uns aber nicht die politische Bewertung dieser Feststellung ab. Dafür sitzen wir hier und da kommen wir als Grüne zu einem anderen Schluss, als die Verwaltung mit ihrer Beschlussvorlage:
Ich will es auf einen einfachen Nenner bringen: es passt vieles nicht zusammen.
Es passt nicht zusammen, wenn wir einerseits mit Infrastrukturprojekten wie der Bahnelektrifizierung Dresden und Cottbus-Görlitz, einem ICE bis nach Zittau, auch einem Weiterbau der B178 bis nach Cottbus selbstbewusst und nicht gerade leise die Zukunftsdebatte unserer Region bestimmen und andererseits bei einer Entscheidung über die Zukunft eines Bahnverkehrsweges Zahlen einer im Grunde defensiven um nicht zu sagen depressiven Entwicklung zugrunde legen.
Es passt nicht zusammen, jetzt eine Bahnstrecke zu entwidmen, während das ganze Land sich auf eine Verkehrswende zubewegt. Selbst Herr Scheuer nimmt dieses Wort in den Mund. Andere Bundesländer legen Förderprogramme für die Reaktivierung von Bahnstrecken auf; wer weiß denn, welche Landesregierung welche Verkehrspolitik ab September im Freistatt exekutieren wird ?
Es ist nicht eingepreist, welche verkehrlichen Erfordernisse die Kulturhauptstadtbewerbung und das Weltkulturerbe Herrnhut mit sich bringen. Es ist nicht durchdacht, jetzt eine Bahnstrecke zu entwidmen und gleichzeitig die Metropolregion Dresden-Prag.-Wroclaw auszurufen, für deren Entwicklung in früherer Zeit genau diese Bahnstrecke eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat. Unsere Nachbarn planen im Rahmen von Transborder eine Neubaustrecke von Prag nach Liberec. Für ihre Weiterführung zur Niederschlesienmagistrale um Produzenten wie Skoda nicht allein auf das Elbtal zu verweisen, brauchen wir unseres Erachtens die Bahnstrecke über Herrnhut.
Insgesamt wird die Bedeutung, die diese Bahnstrecke für die bessere Anbindung von Zittau und der künftigen Agglomeration Liberec-Zittau an das deutsche Schienennetz bekommen könnte, ignoriert und es wird übersehen, dass die Strecke über Wilthen nur geringfügig ausbaubar ist.

Aber auch noch an einer anderen wichtigen Stelle passt die Beschlussvorlage nicht mit dem zusammen, was wir momentan an Entwicklung erleben:
Da gibt es überwiegend junge Leute, die sich Gedanken um die Infrastruktur ihrer Heimat machen, die sich um den Erhalt einer Eisenbahnstrecke sorgen und die Initiative ergreifen für den Erhalt und eine Zwischennutzung dieses Verkehrsweges. Genau diese jungen Leute laden wir täglich ein, sich einzubringen, mitzumachen, nach Möglichkeit auch wieder in die Heimat zurückzukommen, wenn sie das nicht schon getan haben.
Und nun legen sie etwas vor, mit Präzision und Leidenschaft, sind bereit über einen langen Zeitraum ihre Freizeit dafür einzusetzen, diese Bahnstrecke zu erhalten und wir sagen einfach „Nein!“ ? Das passt nicht!
Und ein letztes passt nicht: durch den Beschluss zum Kauf der Strecke vor einem Jahr haben wir die wichtigste Voraussetzung zum Erhalt des Verkehrsweges getroffen. Sie kann nicht mehr willkürlich zerstückelt werden. Für einen Radweg auf dieser Trasse sollte es doch mindestens das Einverständnis der Anliegergemeinden geben, da sie letztlich mit den Kosten zum Unterhalt klar kommen müssen. Es passt nicht zu unsere heutigen Beschlussvorlage, dass diese Einverständnisse nicht vorliegen.

Deshalb kommen wir zu dem Schluss, den sie im Änderungsantrag lesen: Lassen sie uns den Beschluss zum Bahnradweg verschieben, bis wir entscheidungsfähiger sind. Und dies werden wir, wenn wir unsere Zukunftspläne weiter untersetzt, Landes- und Bundesentwicklungen eingepreist und uns mit unseren Nachbarn intensiver als bisher abgestimmt haben. Lassen sie uns die Leute von Proherrnhuter Bahn nicht vor den Kopf stoßen, sondern ihre Initiative würdigen, indem wir ihren Konzept zur Prüfung für eine Zwischennutzung der Bahnstrecke an die Verwaltung verweisen. Lassen sie uns die Anliegergemeinden nicht unnötig provozieren, indem wir mit Kosten rechnen, bei deren Bezahlung wir mit ihrem Geld spekulieren.

Noch ein abschließender Gedanke: lassen sie uns doch heute so kurz vor dem Ende dieser Wahlperiode zeigen, was Kommunalpolitik in Wirklichkeit ausmacht: die Fähigkeit Kompromisse zu schließen. Unser Änderungsantrag scheint mir dafür eine gute Grundlage zu sein.

Dankeschön.

Nachtrag:

Der Antrag wurde abgelehnt.
Den engagierten Ehrenamtlichen vom Pro Herrnhuter Bahn e.V. wurde kein Rederecht vom Kreistag eingeräumt.
Das Projekt Reaktivierung der Herrnhuter Bahn wurde abgelehnt, es wird ein Radweg auf der ehemaligen Bahntrasse entstehen.

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