Grüne Mitglieder fordern zum Tagebau Turów: Freistaat Sachsen soll sich einschalten!

Am 26.11.22 fand die Mitgliederversammlung des KV Görlitz statt, wo sich rund 30 Mitglieder trafen und über aktuelle Handlungsfelder diskutierten.

Im Fokus stand u.a. der polnische Tagebau Turow, welcher direkt im Süden des Landkreises an Zittau heranreicht.

Blick in die Tagebaugrube.

Dazu wurde von den bündnisgrünen Mitgliedern auf der Versammlung vom 26.11.2022 der folgende Antrag beschlossen. Der Antrag im Wortlaut:

TAGEBAU TURÓW: WEITERBETRIEB UND AUSBAU STOPPEN – FÜR KONSEQUENTEN KLIMASCHUTZ UND DIE SICHERHEIT DER MENSCHEN IM DREILÄNDERECK

Die Thematik und der Rechtsstreit rund um den polnischen Tagebau Turów nahe der deutschen Grenze beschäftigen uns als Kreisverband Görlitz und vor allem die Bürger*innen im Dreiländereck nicht erst seit gestern. Bereits seit vielen Jahren gibt es ein multinationales Hin und Her zwischen Gutachten, Klagen, Messungen und Protesten. Vor einigen Wochen verkündeten polnische Behörden nun: der Tagebau soll bis 2044 weiterbetrieben werden – mit verheerenden Folgen für Klima, Umwelt und Menschen.

Der riesige Braunkohlegroßtagebau liegt im Südwesten Polens, östlich der Lausitzer Neiße und der deutschen Stadt Zittau sowie der polnischen Gemeinde Bogatynia. Er erstreckt sich auf einer Fläche von ca. 30 km2 bei einer Tiefe von 225 m ist damit einer der größten Braunkohletagebaue Europas. Dazu kommen die Flächen der Abraumhalde und des dazugehörigen Kraftwerks.

Für uns als Bündnisgrüne ist klar: Die schmutzige Kohleverstromung ist nicht mit den Pariser Klimaschutzzielen und der 1,5-Grad-Grenze vereinbar. Der Braunkohleabbau im Tagebau und die Verbrennung im dazugehörigen Kraftwerk sorgen für den Ausstoß klimaschädlicher Emissionen und eine Luftverschmutzung, die zu Smog in der ganzen Region führt. Die schmutzige Luft enthält krebserregende Substanzen, Schwefeloxide und Schwermetallbestandteile, die besonders für Kinder und vorerkrankte Menschen gefährlich sind. Zudem besteht eine enorme Lärmbelastung vor allem auf tschechischer Seite.

Diese Auswirkungen machen natürlich nicht an der deutschen oder tschechischen Grenze Halt. Die ganze Region des Dreiländerecks ist unmittelbar betroffen. Zittau ist bereits seit mehreren Jahren einem stetig sinkenden Grundwasserspiegel, Bodensenkungen und damit verbundenen Rissen an Gebäuden, destabilisierten Häusern, Schäden an Infrastruktur und chemischer Verunreinigung von Grund- und Oberflächenwasser ausgesetzt.
Mit dem Weiterbetrieb des Tagebaus ist nicht nur eine Erweiterung in Richtung tschechischer Grenze, sondern auch eine Vertiefung der Grube bis auf 300 m vorgesehen, so dass sich die Setzungsprobleme in Zittau wahrscheinlich verschärfen werden. Für die Zeit nach Ende des Tagebaus gibt es noch keine konkreten Pläne. Der Wasserbedarf für einen „Turow-See“ würde die Austrocknungsprobleme der Region weiter verschärfen. Auch regionalpolitisch ist der Weiterbetrieb von Grube und Kraftwerk fatal, denn es wird keine europäischen Strukturförderungsmittel für Bogatynia aus dem „Just Transition Fund“ geben. Dazu hätte Polen einen Kohleausstiegstermin spätestens für die 2030er-Jahre nennen müssen.

Zu den neusten Entwicklungen gehört, dass der BUND Sachsen mit weiteren Partnerorganisationen aktiv geworden ist und bei der Europäischen Kommission Beschwerde eingelegt hat. Sie fordern die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Hintergund ist das Abkommen zwischen Polen undTschechien, wonach die polnische Seite eine Summe von 45 Mio. € an die tschechische Seite zahlt, die im Gegenzug die Klage auf EU-Ebene gegen den Weiterbetrieb des Tagebaus zurückzieht. Aufgrund der tschechischen Klage hatte die EU bereits Bußgeldzahlungen gegen den polnischen Tagebaubetreiber PGE von täglich 500.000€ verhängt, die mit besagtem Abkommen wieder ausgesetzt wurden.

Die polnische Regierung hat den Weiterbetrieb des Tagebaus bis 2044 genehmigt und dabei eine umstrittene Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgewunken. Ein Gutachten unserer sächsischen Justizministerin Katja Meier (Grüne) stellte zwar formale und inhaltliche Fehler in der UVP fest, bis heute fehlt aber immer noch ein klares Votum der Sächsischen Staatsregierung für den Bund, damit dieser aktiv gegen den Weiterbetrieb des Tagebaus vorgehen kann.

Außerdem haben die Stadt Zittau sowie ein Zittauer Einwohner Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Warschau angestoßen, indem sie gegen den Weiterbetrieb Klage eingereicht haben. Der Stadtrat hatte einen entsprechenden Antrag in einer Sondersitzung mit großer Mehrheit beschlossen.

Für den KV Görlitz von Bündnis90/Die Grünen ist eine Tagebauerweiterung und -vertiefung aufgrund der oben genannten Argumente nicht tragbar. Die dramatischen Auswirkungen machen keinen Halt an Ländergrenzen und beeinflussen die gesamte Region. Deshalb setzen wir uns ein für:

  • ein klares Votum der Sächsischen Staatsregierung und der (bündnisgrünen) zuständigen Ressorts auf Bundesebene gegen den Weiterbetrieb des Tagebaus Turów,
  • ein weiteres (rechtliches) Vorgehen gegen den Tagebaubetreiber PGE, wobei das Gutachten des SMJusDEG zur UVP nur der Anfang dessen sein darf,
  • einen grenzüberschreitenden Kohleausstieg verbunden mit einer Energiewende und einem bürgernahen, wirtschaftlich verträglichen Strukturwandel in den Kohleregionen.

Die KV Görlitz schließt sich den Forderungen des BUND Sachsen an, auf EU-Ebene rechtlich gegen den Weiterbetrieb des Tagebau Turów vorzugehen und begrüßt die Klage der Stadt Zittau vor dem Warschauer Verwaltungsgericht.

Antrag beschlossen am 26.11.2022 von der Mitgliederversammlung des KV Görlitz.

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