Nach den Vorkommnissen bei der Stadtratssitzung vom 30.03.2023 haben sich verschiedene politische und zivilgesellschaftliche Kräfte zusammen getan und einen offenen Brief formuliert. Hier werden die Rückkehr zum Dialog gefordert und die rechtsextremen Umtriebe kritisiert, welche den Dialog torpedieren. Der Brief ist nun veröffentlicht und kann von jeder Person mit unterschrieben werden, um ein Zeichen für friedliches Miteinander, für Dialog und gegen rechte Parolen zu setzen.
Einrichtung für geflüchtete Menschen geplant – Rechte und Rechtsextreme kapern das Geschehen
Zur Stadtratssitzung am 30. März 2023 in Zittau wurden Demonstrant*innen aufgestachelt, u.a. von den rechtsextremen „Freien Sachsen“, welche zur Demo gegen Geflüchtete vor dem Rathaus geladen hatten. In der Folge marschierte eine Gruppe aufgebrachter Demonstrant*innen in den Sitzungssaal ins Rathaus und bauten sich in teils bedrohlicher Geste vor dem Stadtrat und seinen Mitgliedern auf. Damit wurden bereits mehrere Regeln des demokratischen Miteinander bewusst verletzt.
Hintergrund ist, dass eine Einrichtung für geflüchtete Menschen im Ortsteil Hirschfelde geplant ist. Dabei bleiben zunächst verschiedene Fragen offen, z.B. Konzepte rund um Integration und Versorgung der geflüchteten Menschen. Eine Vorabinformation für Anwohner*innen gab es nicht. Sobald diese Pläne, teils sehr ungeschickt kommuniziert, öffentlich bekannt wurden, haben verschiedene rechtsaußen und rechtsextreme Kräfte (u.a. „Zittau mit Zukunft“, Identitäre Bewegung, „Freie Sachsen“, AfD) Stimmung gemacht und zum Protest aufgerufen. Diese Proteste fanden zunächst in Hirschfelde bei einer Infoveranstaltung statt. Zur Stadtratssitzung am Donnerstag wurde erneut dazu aufgerufen.
Wir beobachten, dass es dabei von den genannten Kräften nie um ehrliche Fragen zur Einrichtung oder um organisatorische Herausforderungen ging, sondern um das Wiederholen von haltlosen Vorurteilen und dem offenen zur Schau stellen von Rassismus und Hass gegen Menschen.
Bündnisgrüne positionieren sich für den sachlichen Dialog und gegen Rechts
Als Bündnisgrüne sind uns Transparenz, Dialog und die Einbindung von Menschen wichtig. Wir vom Stadt- und Regionalverband (SRV) Zittau sehen, dass hier einiges schief gelaufen ist. Das ist kein guter Start für ein gelingendes Miteinander. Umso mehr begrüßen wir, dass weiterhin der Austausch gesucht wird.
Wir können nicht akzeptieren, dass rechte Hetzende und Rechtsextreme auf das Thema aufspringen, Drohkulissen aufbauen und zu klärende Fragen und nötigen Austausch niederbrüllen. Rechte Parolen lösen keine Probleme, Aufstachelung und Hetze sind keine Mittel zur Lösung von Herausforderungen.
Wir Bündnisgrüne unterstützen den offenen Brief und rufen damit zum sachlichen Dialog auf.
Offener Brief veröffentlicht – jede*r kann mit unterschreiben!
(Link zur originalen Veröffentlichung, Möglichkeit zum Unterschreiben)
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
die Eskalation in der Stadt am Donnerstag, den 30. März 2023 im Rathaus Zittau macht uns große Sorge und sehr betroffen.
Wir wissen, dass wir angespannte Zeiten durchleben. Gewaltige Herausforderungen durch zahlreiche Krisen fordern uns heraus und belasten den Alltag. In dieser Situation führen zusätzliche Veränderungen schnell zu Unverständnis, Zweifeln aber auch zu Frust bei den Menschen in unserer Stadt und unserer Region.
Dabei ist unser gesellschaftlicher Zusammenhalt und unsere Solidarität mit der Unterbringung und Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern nach deren Flucht erneut gefordert. Detaillierte Informationen zur Unterbringung der Menschen stehen noch aus. Konzepte zur Integration dieser Menschen im Landkreis sind bisher noch unbekannt. Es ist daher umso wichtiger, dass der Landkreis Görlitz und unsere Stadt Zittau das Gespräch suchen. Ziel muss es sein, eine für die Menschen vor Ort und die Geflüchteten gleichsam angemessene Lösung zu finden. Dabei sind berechtigte Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Auch eine ausgeglichene Verteilung von Geflüchteten im Landkreis muss beachtet werden. Nur wenn miteinander gesprochen wird, ist ein Unterbringungskonzept möglich. Dieses gewährleistet das Recht auf Schutz, bezieht die Menschen vor Ort ein und nimmt gleichzeitig Sorgen in den Blick, die unabhängig von der Unterbringung von Geflüchteten in Hirschfelde bestehen. Unser Grundsatz bei den anstehenden Debatten muss dabei sein, respektvoll, mitmenschlich und verständnisvoll miteinander umzugehen.
Wir betrachten die Ereignisse der letzten Woche: Der tumultartige Auftritt im Rathaus durch Demonstrantinnen und Demonstranten hat die laufende Stadtratssitzung am Donnerstag unterbrochen. Mit lautstarken Parolen wurde die turnusmäßige Beratung übertönt. Die Beantwortung der Fragen von Hirschfelder Bürgerinnen und Bürgern war nicht in ausreichender Art und Weise möglich. Ein Dialog und Austausch zwischen dem Oberbürgermeister, dem Stadtrat und den Bürgerinnen und Bürgern wurde so erschwert. Diese Ereignisse zeigen uns ganz klar: Wir brauchen einen respektvollen Umgang und einen lösungsorientierten Dialog! Zuhören können und zuhören wollen sind dabei Voraussetzung gemeinsamer Verständigung. Wir sind dazu bereit und fordern jede und jeden dazu auf, sich uns anzuschließen.
In diesem Prozess nehmen wir Landrat, Oberbürgermeister und Stadtrat und auch uns selbst in die Pflicht. Nur gemeinsam können wir Entscheidungen treffen, die einen Ausgleich schaffen zwischen den Bedürfnissen der Menschen in unserer Region und der Aufnahme Schutzbedürftiger. Wir sehen uns in der Verantwortung, die Herausforderungen in unserer Stadt zu lösen. Wir fordern unsere Mandatsträger dazu auf, sich auf Landes- und Bundesebene für unsere Interessen stark zu machen. Die Versorgung von Menschen, die von Flucht betroffen sind, ist sicherzustellen und Zuwanderung und Verteilung zu steuern. Wir haben uns zum Grund- und Menschenrecht auf Asyl bekannt und verpflichtet. Dieses Recht in der Praxis umzusetzen und die Menschen mitzunehmen, ist unsere Verantwortung. Wir begrüßen die anstehende Einwohnerversammlung von Oberbürgermeister Thomas Zenker und Landrat Stephan Meyer zum sachlichen Austausch ausdrücklich.
Wir setzen uns ein für eine angemessene Migrationspolitik, die abwägt und entscheidet und betonen gleichzeitig ein klares „Nein“ zu Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Hass gegen andere Menschen! Die Grenzen des Dialogs sind dort gesetzt, wo der Anstand überschritten und das demokratische Miteinander verletzt werden. Ein konstruktiver Dialog entsteht nur, wo rechtsextreme und verfassungsfeindliche Positionen außen vor bleiben! Unsere Demokratie ist eine der wertvollsten Errungenschaften und ein wichtiger Bestandteil einer freien und gerechten Gesellschaft. Sie gewährleistet die Beteiligung und das Mitbestimmungsrecht aller Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungen, schützt die Menschenrechte, die Freiheit und fördert das friedliche Zusammenleben.
Nur wenn wir uns selbst für unsere demokratischen Werte einsetzen, sie hochhalten und Menschenrechte verteidigen, werden wir Krisen überwinden – ganz gleich, ob es andere oder wir selbst sind, die von Not bedroht sind. Wir fordern dazu auf, miteinander zu sprechen, zuzuhören und demokratische Mitbestimmung auszugestalten. Es liegt an uns allen, die Situation in Hirschfelde auf demokratische und friedliche Weise miteinander auszumachen.
Abschließendes Zitat: „Die Demokratie ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern eine der Sittlichkeit“ – (W. Brandt)
Der ganze Brief sowie die Möglichkeit zu unterschreiben: https://www.openpetition.de/petition/online/offener-brief-zurueck-zur-sachlichkeit
Breite Unterstützung für den Aufruf zur Sachlichkeit
Der bündnisgrüne Zittauer Stadt- und Regionalverband sowie Zittaus grüner Stadtrat Matthias Böhm gehörten zu den Erstunterzeichnern. Zahlreiche Vereine und Personen sowie politische Organisationen aus Zittau haben ebenso mitgezeichnet, u.a. die CDU Zittau, Stadtratsfraktion „Die Linke“ Zittau, Zittauer Ortverband der SPD sowie die Jusos Neiße, ZKM (Wählergemeinschaft „Zittau kann mehr“ e.V.), Ausländerbeirat der Stadt Zittau, das zivilgesellschaftliche Bündnis „Zittau gemeinsam“, die Hillersche Villa, der Demokratieverein „Augen auf“ e.V..
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