Auf der 53. Landesversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen wurden am Samstag, den 7. März 2020 Annett Jagiela als Beisitzerin in den Landesvorstand und Jana Krauß in den Parteirat gewählt. Herzlichen Glückwunsch! Wir freuen uns sehr, dass die Perspektiven der ländlichen Räumen zukünftig von diesen beiden Frauen auf Landesebene eingebracht und vertreten werden.
Ihre Bewerbungsreden findet ihr:
Bewerbungsrede für den Beisitz im Landesvorstand von Annett Jagiela
Liebe Bündnisgrüne Freundinnen und Freunde,
2019 war Wahlkampf im Dauerzustand: Europa- und Kommunalwahlen, die Oberbürgermeister*in-Wahl in Görlitz und die sächsische Landtagswahl mit Koalitionsverhandlungen haben viel Kraft gekostet – uns aber auch Mut, Zuversicht und Selbstvertrauen geschenkt. Ich bin stolz, dass wir als kleiner Landesverband über uns hinausgewachsen sind und das Vertrauen so vieler Menschen gewinnen konnten.
Für mich persönlich war die Leitung von Franziskas Oberbürgermeister*in-Wahlkampf in Görlitz eine unglaublich intensive Zeit. Sie hat mir viel über uns Bündnisgrüne gezeigt: Wir schaffen es, Menschen zuzuhören, ins Gespräch zu gehen, Vertrauen zu gewinnen und mit unseren Konzepten zu überzeugen. Menschen wollen, dass sich Politik kümmert und Entscheidungen ordentlich und solide vorbereitet und dann auch so umgesetzt werden. Ich bin mir sicher: Wir können das! Wir können auch Extreme aushalten und Alternativen auf dem Boden unserer demokratischen Werte anbieten. Wir kämpfen FÜR etwas anstatt immer nur dagegen zu sein. Wir wissen, dass ein vielfältiges und buntes Team nicht nur die besten Ergebnisse, sondern auch Freude an Politik bringt. Wir haben gelernt, nicht müde zu werden, auch wenn wir manchmal erschöpft sind. Wir wissen, dass wir nach Niederlagen auch wieder aufstehen können, weil die Aufgaben von heute nicht auf morgen warten.
Ich erlebe unseren Landesverband fleißig, lösungsorientiert und gut sortiert. Wir wachsen und begreifen uns als lernende Organisation. Das alles motiviert mich, macht mir Lust auf mehr Politik. Deshalb bewerbe ich mich als Beisitzerin im Landesvorstand. Ich möchte Menschen innerhalb und außerhalb der Partei dabei unterstützen und ermutigen, zu wachsen und Verantwortung für unsere Gesellschaft zu übernehmen.
Veränderung steuern
Wir leben in Zeiten, in denen sich vieles schnell und immer wieder verändert: Unsere Gewohnheiten werden auf den Prüfstand gestellt – sei es beim Essen, dem Umgang mit der Natur, Tier und Technik oder unseren Rollenbildern. Die Bündnisgrünen sind plötzlich Teil der sächsischen Regierung. In vielen Bereichen unserer Wirtschaftslandschaft müssen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle überarbeiten. Derweil werden unsere demokratischen Werte gefühlt täglich in Frage gestellt.
In diesen Zeiten gilt es, Ruhe zu bewahren, nicht in die Hektik einzusteigen und das Zerreißen der Gesellschaft zu riskieren.
Wurzeln schlagen – auch im ländlichen Raum
Wir Bündnisgrünen wachsen und müssen uns deshalb stärker verwurzeln. Wo, wenn nicht im ländlichen Raum? Die sächsische Leuchtturmpolitik war für vieles gut – aber nicht für die Infrastruktur und das Selbstvertrauen der Menschen auf dem Land. Die ländlichen Räume brauchen keinen von außen verordneten Strukturwandel; Dörfer und Kleinstädte müssen keine Großstädte werden. Wir sollten voneinander lernen, uns auf Augenhöhe begegnen und die Strukturen und die politische Kultur so stärken, dass sie den Menschen und Unternehmen vor Ort helfen.
Als Beisitzerin im Landesvorstand möchte ich Anliegen und Perspektiven des ländlichen Raums einbringen und die Vorsitzenden und unseren Landesverband dabei unterstützen,
- ihre Arbeit mit Parteimitgliedern, der Landtagsfraktion und Regierungsmitgliedern gut und verlässlich zu vernetzen und die Arbeit der sächsischen Regierung kritisch-konstruktiv zu begleiten.
- Kennlern-Formate zu etablieren, für Menschen, die darüber nachdenken, in der Bündnisgrünen Politik aktiv zu werden.
- Mentoringprogramme für Frauen und die jüngere Generation zu entwickeln.
- dass sich die Kreisverbände weiter professionalisieren, sich besser austauschen und voneinander lernen können.
- dass die kommunal- und landespolitische Perspektive auf der Bündnisgrünen Bundesebene stärker gehört werden, wir uns weiter vernetzen, voneinander lernen.
- die Bundestagswahl 2021 vorzubereiten, damit Sachsen noch stärker in Berlin vertreten wird.
Liebe Freundinnen und Freunde – einige Worte zu mir für diejenigen, die mich noch nicht persönlich kennen: Ich stamme aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Görlitz und habe von meinen Eltern viel über die Landwirtschaft, die Bauwirtschaft und die Gastronomie gelernt. Im Hause Jagiela begannen viele Belehrungen meistens mit dem Wort: „Mitdenken“. Das bedeutete mit-zu-be-denken – was meine Handlungen für andere bedeuten, welchen Einfluss es hat. Ergo: Verantwortung zu übernehmen für mich und mein Handeln.
Nach meinem Abitur habe ich, wie viele, die Heimat verlassen – wollte die Welt kennenlernen. Ich habe in den USA gelebt, studiert und gearbeitet, in Prag und Berlin mein Studium beendet, bevor ich einige Jahre für Siemens unterwegs war. Ich war im Rahmen des internationalen Projektgeschäftes tätig und habe in der Praxis erleben dürfen, was für eine Errungenschaft der Europäische Binnenmarkt ist, wie andere Länder ihre Märkte schützen, was es bedeutet für Kunden in vielen Ländern dieser Welt zu arbeiten und wie wichtig ein verlässlicher Rechtsstaat auch für unsere Wirtschaft ist.
Mein Wechsel in die Politik war aufregend. Nach Jahren als Referentin der Fraktionsgeschäftsführerin in der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen und Büroleiterin eines Abgeordneten im Bundestag habe ich 2019 den Wahlkampf für Franziska in Görlitz organisiert. Nach 23 Jahren bin ich wieder zurückgekehrt in meine Heimat. Nach 23 Jahren, die ich in der Welt versucht habe „Politik“ zu lernen – habe ich in Görlitz und hier in unserem Landesverband meine politische Heimat gefunden.
Liebe Freundinnen und Freude – lasst uns zusammenhalten – Vertrauen und Mut geben in unsere Veränderungsfähigkeiten, die viele Menschen hier in Sachsen in den letzten Jahrzehnten mehrfach unter Beweis gestellt haben. Lasst uns zeigen, dass wir Veränderung wollen und sie auch verlässlich, transparent und zum Wohle der Gemeinschaft steuern können. Und dabei nicht vergessen: Die Kette reißt nicht an der stärksten Stelle – sondern an der schwächsten.
Liebe Freundinnen und Freunde – ich würde mich freuen, die Arbeit des Landesvorstandes als Beisitzerin unterstützen zu dürfen und bitte um eure Stimme und euer Vertrauen.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
Bewerbungsrede für den Parteirat von Dr. Jana Krauß
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
Im Juni 2018 habe ich mich entschieden, Mitglied von Bündnis 90/ Die Grünen im Stadtverband Görlitz zu werden. Die Zeit war einfach reif für politisches Engagement, für ein Bekenntnis sozusagen. Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie wichtig bündnisgrüne Arbeit ist, wir haben gemeinsam mit Franziska eine lange Oberbürgermeisterinnenwahlzeit bestritten, die die Görlitzer Stadtgesellschaft stark politisiert hat. Es waren viele Menschen eingebunden, die Mitgliederzahl in unserem bündnisgrünen Stadtverband und im KV Görlitz hat sich mehr als verdoppelt. Die Kraft, die sich hier entwickelt hat, ist spürbar und wir möchten sie nutzen, um gemeinsam mit dem Landesverband, dem Parteirat und der Landtagsfraktion die Bedürfnisse der Menschen in unserer Region, der Lausitz, sichtbar zu machen und Lösungen in die Landespolitik einfließen zu lassen.
Die Wenigsten hier werden mich kennen, daher möchte ich kurz etwas zu mir erzählen: In meinem ersten Berufsleben war ich Naturwissenschaftlerin, ich habe Biochemie studiert, im Bereich Entwicklungsgenetik promoviert und 15 Jahre geforscht. 2014 war ich aufgrund des Wissenschaftszeitgesetzes gezwungen, mich beruflich zu verändern. In meinem nun zweiten Teil des Berufsleben führe ich die östlichste Buchhandlung mit Antiquariat als Ein-Frau-Unternehmen. Meine Buchhandlung hat sich in den letzten Jahren zu einem Ort der Begegnung, der Diskussion, sozusagen zu einem Ort der Demokratie entwickelt. Mir ist das wichtig: Im dauerhaften Gespräch sein, Ideen, Möglichkeiten und auch Wünsche zu hören und mitzuentwickeln. Da ich gern nach Herausforderungen suche, habe ich im vergangenen Jahr für einen Sitz im Görlitzer Stadtrat kandidiert. Und: Ich bin gewählt worden! Nach nun schon einem Dreivierteljahr kann ich sagen: Die Zusammensetzung des Görlitzer Stadtrats kann man als durchaus herausfordernd betrachten, die Unterschiede in den politischen Kulturen sind groß und es ist äußerst schwierig, die notwendigen Mehrheiten zu finden. Die Stadtratsarbeit gefällt mir. Wir befinden uns in einer Zeit der Transformation: Klimawandel, Digitalisierung, soziale Verwerfungen und mehr sind Prozesse, die auch auf kommunaler Ebene – und vielleicht gerade dort – direkt in Entscheidungen mitbedacht werden müssen, um nachhaltige und enkeltaugliche Wirkung zu erzeugen. Es macht mir große Freude, hierbei mitwirken zu dürfen.
Ich sehe aber auch viele für die Zukunft wichtige Themen, die weit über Kommunalpolitik hinausgehen und die wir als Bündnisgrüne diskutieren können bzw. sollten. Drei solcher Themen möchte ich hier kurz ansprechen:
Zum ersten Thema: Nahezu täglich lesen wir über Lehrer- oder Fachkräftemangel in Sachsen. Zur Behebung sollen Ausbildung und Studium junger Menschen verstärkt gefördert werden. Das sind gute und richtige Ansätze. Doch was ist mit den Fachkräften, die aufgrund von Strukturwandel und Digitalisierung ihre Arbeit verlieren werden bzw. bereits verloren haben? Das sind kluge Köpfe, die bereit sind, neue Wege zu gehen, auch wenn sie schon lange im Berufsleben stehen. Leider sind die Bildungsstrukturen nicht entsprechend, um einen zweiten Beruf zu lernen, ohne massive Einkommenseinbußen hinnehmen zu müssen. Welche Familien können es sich leisten, dass ein Elternteil einfach mal drei Jahre in Ausbildung oder Studium geht ohne gesichertes Einkommen? Die Hürden für den Berufswechsel sind viel zu hoch. Warum tun wir uns so schwer damit, zu akzeptieren, dass es den Weg von Berufsausbildung und Studium über den einen Job bis in die Rente kaum noch gibt? Unsere Vorstellung vom Berufsleben ist in meinen Augen viel zu eingleisig und starr und dass, obwohl wir vermutlich alle Karrierebrüche erlebt oder bei Freunden oder in der Familie beobachtet haben. Lebensgestaltung und damit auch die Gestaltung des Arbeitslebens sind mittlerweile hochdynamische Prozesse, die sich durch Digitalisierung und Arbeit 4.0 vermutlich noch weiter dynamisieren werden. Hier werden dringend innovative Konzepte benötigt.
Zum zweiten Thema: Wie bereits gesagt, ich bin Genetikerin und ich weiß, dass es unter Bündnisgrünen noch immer fast ein Tabu ist: die grüne Gentechnik. Das gilt es dringend zu überdenken. Meiner Meinung nach gibt es gute Gründe dafür, sich vom undifferenzierten Verbot der grünen Gentechnik zu verabschieden. Die Klimaveränderungen und damit einhergehende Veränderungen von Wachstumsperioden, Temperatur, Feuchtigkeit und Bodenqualität werden flexible und schnelle Züchtungsprogramme von entsprechend angepassten Pflanzen notwendig machen, um die Bedarfe aus dem regionalen Anbau decken zu können. Die konventionelle Züchtung ist schlicht nicht schnell genug. Biologischer, bodenschonender und pestizid- und herbizidfreier Anbau ist mit gentechnisch veränderten Pflanzen möglich.
Und schließlich ein drittes Anliegen: Ich bin noch nicht lange Stadträtin, aber binnen kürzester Zeit habe ich erfahren, unter welchem Fördermittelzwang Kommunen stehen. Man bekommt sehr schnell die Auffassung, dass der Begriff Fördermittel fehlgeht. Unter Förderung verstehe ich Unterstützung von Potenzialen. Bei „Fördermitteln“ handelt sich jedoch meist um Zuwendungen für die notwendigen Ausgaben oder zur Erfüllung von kommunalen Pflichtaufgaben, über die an allen möglichen Stellen entschieden wird, aber nicht dort, wo die Gelder benötigt werden, nämlich bei den betroffenen Kommunen. Hier wünsche ich mir verstärkte Diskussionen, wie Kommunen zurückkommen können zu eigenen Entscheidungen, wie und an welcher Stelle Finanzmittel eingesetzt werden.
Ich habe hier nur eine kleine Auswahl an Themen aufgeführt. Es gibt natürlich sehr viel mehr. Auch vermeintlich kleine Entscheidungen sind in einen größeren Zusammenhang eingebettet und systemisch zu überdenken. Dafür brauchen wir die Erfahrungen aus und die Vernetzung von Landtagsfraktion, Landesvorstand und Kreisverbänden. Als in der Kommunalpolitik Tätige sehe ich, wie dringend wir eine enge Verbindung mit der Landesebene brauchen und bitte Euch um Euer Vertrauen für mein Engagement im Parteirat.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
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