Aus dem Kreistag: Zukunft von Krankenhäusern und Unterbringungskonzept für Geflüchtete

Kreisrat Joachim Schulze (Bündnis 90/Die Grünen) berichtet aus der letzten Sitzung, wo um die Zukunft von Krankenhäusern und dem Unterbringungskonzept für Geflüchtete im Landkreis Görlitz gestritten wurde.
Kreisrat Prof. Dr. Joachim Schulze (Bündnis 90/Die Grünen) berichtet zur Zukunft von Krankenhäusern und dem Unterbringungskonzept für Geflüchtete im Landkreis Görlitz.

Wie geht’s weiter mit den Krankenhäusern des Landkreises Görlitz? Was passiert im Bereich Unterbringung von Asylsuchenden?

Bericht aus der Kreistagssitzung vom 18.10.2023 von Kreisrat Prof. Dr. Joachim Schulze (Bündnis 90/Die Grünen), Fraktion BündnisGrüne/SPD/KJiK

Auf der letzten Kreistagssitzung, die wiederum mit Polizeifahrzeugen vor dem BSZ stattfand, gab es zwei Tagesordnungspunkte, an denen unsere Kreistagsfraktion schon im Vorfeld einen wichtigen gestaltenden Anteil hatte.

Darüber will ich hier in gebotener Kürze informieren.

1. Neuausrichtung der Gesundheitszentren im Landkreis

In der Dezembersitzung des letzten Jahres sollte nach dem Vorschlag der Verwaltung ein Grundsatzbeschluss zur Neustrukturierung der vom Landkreis betriebenen Krankenhäuser in Weißwasser, Ebersbach-Neugersdorf und Zittau gefasst werden, der folgenreich für die Profilierung der genannten Einrichtungen war vor allem, was den künftigen Wegfall bestimmter Angebote betrifft.

Hintergrund sind Folgen des demografischen Wandels, des Nachfrageverhaltens der Patienten, Personalmangel, Veränderungen medizinischer Technik und der Verfahren, die „ambulante“ Operationen bzw. kürzere Liegezeiten ermöglichen, Krankenhausreform auf der Bundesebene, allgemeine Kostenentwicklung. Daraus resultieren wirtschaftliche Probleme bis hin zur Insolvenzgefahr und/oder zum Erfordernis hoher Zuschüsse, die der Landkreis keineswegs „stemmen“ kann.

Letztlich betrifft das nahezu alle Kliniken bundesweit. Die gravierenden strukturellen Probleme unseres Landkreises erhöhen aber den unmittelbaren Handlungsdruck. Es ist daher grundsätzlich richtig, dass Verwaltung und Kreistag (über seine Mitglieder in den Aufsichtsräten) und die Klinikleitungen sich auf den Weg gemacht haben, eine neue Struktur zu entwickeln.

Im Dezember letzten Jahres drangen erste Erkenntnisse in die Öffentlichkeit und führten zu Protesten. Bürgermeister betroffener Sitzgemeinden, Personalräte, betroffene Hebammen (es ging dort um den Wegfall der Geburtshilfe in Ebersbach-Neugersdorf) aber auch Bürgerinnen und Bürger meldeten sich empört zu Wort. Mit Kritik an Teilen des Vorhabens vor allem aber an der fehlenden Kommunikation bzw. Betroffenenbeteiligung. Beide Punkte erweisen sich zunehmend als Problem in der Politik auf allen Ebenen. Einerseits negativ als „Managementversagen“, andererseits (positiv) als wachsendes Selbstbewusstsein von Betroffenen, die Veränderungen, die ihr Leben betreffen, sich nicht mehr ohne Widerstand überstülpen lassen. Diese „Stimmung“ wurde auch in der Dezembersitzung im Kreistag spürbar und es war zu erwarten, dass es keine (ordentliche) Mehrheit für die Kreistagsvorlage BV/436/2022 geben würde. Mit ungewissen Folgen für die im Prinzip unabweisbare Reform.

Was tun? Ich habe im Sitzungsverlauf spontan einen Kompromißvorschlag vorgetragen, dergestalt, dass der Kreistag die Vorlage (und damit die neue Struktur) nicht beschließt, sondern lediglich „zur Kenntnis“ nimmt. Verbunden mit dem Auftrag an den Landrat, ausgehend von dem Dezember-Papier weitere erforderliche Gespräche und Verhandlungen zu führen. Ziel war somit eine bessere Betroffenenbeteiligung und implizit natürlich die Erwartung, dass Ergebnisse in den (Überarbeitungs-) prozeß einfließen.
Mit 46 Ja-Stimmen, mit 20 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen wurde dieser Kompromiss angenommen.

Diese Gespräche und einen so genannten „Zwischenbericht“ (Stand 23.08.2023) der Facharbeitsgruppe der Krankenkassen und deren Verbände, der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, der Geschäftsführung der Klinikum Oberlausitzer Bergland gemeinnützige GmbH (KOB) und des Landkreises Görlitz gibt es nun. Er wurde verbunden mit der Beschlussvorlage BV/492/2023 in den Fachausschüssen vorberaten.

Der Zwischenbericht selbst ist leider nichtöffentlich, obgleich er doch die Legitimationsgrundlage für die im Beschlußtext in wenigen Sätzen beschriebenen neuen Profile für Ebersbach-Neugersdorf (ambulantes Zentrum mit Prüfung stationärer Leistungserbringung Innere Medizin) Zittau (Konzentration der stationären Medizin einschließlich Geburtshilfe) und Weißwasser (Regelversorger mit Gesundheitszentrum) liefert. Ich finde das mißlich und hoffe wenigstens auf eine reduzierte Fassung, wenn man den meint es seien hier bestimmte daten zu schützen. Den Kreisräten immerhin liegt das vor und ich kann sagen, dass wir heute eine viel stärker „abgesicherte“ Entscheidungsgrundlage haben und als Fraktion auch nach Abwägung des Für und Wider zustimmen konnten und können.

Unser Fraktionsmitglied Ralf Brehmer (SPD, Bürgermeister von Rietschen, Aufsichtsrat der Managementgesellschaft Gesundheitszentrum des Landkreises Görlitz mbH) hat unsere Position entsprechend in der Sitzung vorgetragen.Mit einer Ergänzung: Wir hatten zwei Tage vor der KT-Sitzung noch eine Fraktionssitzung unter Teilnahme der Verwaltung des LK und der Geschäftsführung der KOB sowie von Anne Goldberg, die Beleghebamme in Ebersdorf -Neugersdorf ist. Thema war hier primär das Problem einer künftigen Versorgung von Frauen, die weiterhin eine 1:1-Betreuung durch selbständige (Beleg-) Hebammen wünschen. Dies wir nach der neuen Struktur in Ebersbach-Neugersdorf nicht mehr möglich sein. Ihr Vorschlag ist die Errichtung eines „Geburtshauses“ in Löbau.

Ein Änderungsvorschlag der BV in diesem Sinne erschien wegen der Kürze der Zeit nicht erfolgversprechend. Wir haben uns daher entschieden, eine „Protokollnotiz“ zum Thema „Geburtshaus“ zu verfassen. Diese wurde im Vorfeld der Sitzung der zuständigen Dezernentin Frau Weber zugeleitet und in der Sitzung durch Ralf Brehmer vorgetragen und offiziell eingereicht. Wir können mit Gewissheit davon ausgehen, dass der Landkreis Gespräche dazu anberaumen wird.

Den Text der „Protokollnotiz“ dokumentiere ich hier: „Protokollnotiz zur BV/492/2023 Evaluierung Konzept Neuausrichtung Gesundheitszentren des Landkreises GörlitzGegenstand: Geburtshilfe durch Beleghebammen nach Wegfall des Standortes Ebersbach-Neugersdorf als Geburtsklinik

Es hat sich durch die Erhebungen der Facharbeitsgruppe gezeigt, dass eine beachtliche Anzahl von Frauen die Angebote von Beleghebammen in Anspruch genommen hat. Es ist davon auszugehen, dass Frauen grundsätzlich diese Art intensiver Betreuung durch selbständige Hebammen wünschen. Dies soll ihnen auch weiter ermöglicht werden. Die Entbindungsstation am Standort Ebersbach-Neugersdorf soll geschlossen werden. Der Klinikstandort Zittau soll zentraler Anlaufpunkt der Geburtshilfe mit angeschlossener Neonatologie und Gynäkologie werden. Eine Geburtshilfe durch Hebammen am Standort Ebersbach-Neugersdorf ist aus fachlicher Sicht von Hebammen künftig aus verschiedenen Gründen (auch aus betriebswirtschaftlichen wg. dann fehlender Akzeptanz der zu gewinnenden Frauen UND der Hebammen selbst) nicht mehr möglich.

Als neue Lösung wird die Schaffung eines „Geburtshauses“ in Löbau vorgeschlagen. Dieser Standort ist aus verschiedenen Gründen (Lagegunst für die Nutzer, Nähe zu qualifizierten Kliniken bei spezifischen Versorgungsnotwendigkeiten) vorteilhaft.

Aus diesem Grunde sollen dazu zeitnah klärende Gespräche zwischen Beleghebammen, Landkreis, Geschäftsführung des Klinikums Oberlausitzer Bergland und weiteren beizuziehenden Akteuren geführt werden. Es geht dabei unter anderem darum, eine solche Lösung weiter zu entwickeln und hinsichtlich der Realisierung und erforderlicher Rahmenbedingungen zu bewerten. Wegen des großen Interesses der Öffentlichkeit an dieser Thematik sollen sobald und soweit möglich (Zwischen-) Ergebnisse über die interne Beratung in Ausschüssen des Kreistages hinaus mitgeteilt werden.“

Zum Debattenverlauf nur soviel: Einleitende Info-Beiträge gab es von (Spitzen-) Vertretern der AOK Sachsen, der Sächsischen Krankenhausgesellschaft und von der Geschäftsführung der KOB – verbunden mit Lob für die Vorreiterrolle die wir angesichts der landes- und bundesweit erforderlichen Reformen einnehmen.

Es wurde Zustimmung zur Beschlußvorlage und ihren Zielen angekündigt seitens CDU, FDP, Freien Wählern und der Linken. Sie alle stellen sich den Realitäten. Totalausfall wie erwartet bei der „AfD“ , die sich mit schlichter Agitation nach der Devise „ist doch genug Geld da, Versagen der Systemparteien“ etc. präsentierte.

Ergebnis: Ja = 43, Nein = 21, Enthaltungen = 4, damit angenommen.

Geht alles planmäßig, dann sollen die Umstukturierungsmaßnahmen bis Ende 2025 erfolgt sein.

2. Unterbringungskonzeption Asylsuchende im Landkreis Görlitz BV/494/2023

Ein weiteres Thema, dass viele Menschen im Landkreis bewegt. Als im Frühjahr bekannt wurde, dass wegen steigender Zuweisungszahlen Gemeinschaftsunterkünfte (re-)aktiviert werden müssen, kam es vor allem in Hirschfelde zu Protesten. Seitens unmittelbarer Bewohner am Ort (Bürgerinitiative) aber auch befeuert durch „AfD“, „Freie Sachsen“ und weitere Akteure der rechten Szene. Hier zeigten sich Fehler im Management des Landkreises und weiterer Akteure, was eine frühzeitige und hinreichende Informations- und Beteiligungspolitik gerade in Hirschfelde betrifft, aber auch konzeptionelle Schwächen.

Die „AfD“ stellte den unabweisbaren Antrag auf eine Sondersitzung des Kreistages. Diese wurde für den 18.04.2023 angesetzt. Im Vorfeld wurde von Akteuren der rechten Szene zu Protesten zur Sitzung aufgerufen. Das machte einen massiven Polizeischutz vor dem Sitzungsräumlichen des BSZ und im BSZ erforderlich, was sich auch ausgezahlt hat angesichts schlimmer Erfahrungen andernorts. (Der Bericht von der Kreistagssitzung ist hier nachzulesen)

Das Medienecho war entsprechend groß, zumal ein „Auftritt“ des Kreistagsmitgliedes und Bundestagsabgeordneten Chrupalla erwartet wurde, der bekanntlich neben A. Weidel Bundes-Vorsitzender der „AfD“ ist.

Zur Sitzung lagen vor: Ein Antrag der „AfD“, der im Kern darauf hinauslief, dass sich der Landkreis der Unterbringung von Asylbewerbern verweigert, ein Antrag des Landrates, der sich vor allem mit Forderungen an die Bundesregierung befasste. Darunter Begrenzung des Zuzuges mit Blick auf die Dublin-Verordnung und freiwillige Aufnahmeprogramme, schnellere Rückführung von Ausreisepflichtigen, Erstattung der Gesamtkosten durch Bund bzw. den Freistaat, Bereitstellung „staatlicher“ Immobilien, Standardreduzierung der Unterkünfte. Im Grunde eine Umsetzung der bekannten CDU-Forderungen zur Asylpolitik generell.

Wir haben das ausführlich in unserer Fraktion besprochen. Klar war, dass der „AfD“-Antrag abzulehnen ist gerade auch aus rechtlichen Gründen. Der Antrag des Landrates (CDU) enthielt einige aus unserer Sicht zustimmungsfähige Punkte. Vom Gesamtduktus her fehlten uns aber Aussagen zu unserer Verantwortung als Landkreis und zu unseren Aufgaben.

Wir haben dann einen umfassenden Beschlußvorschlag formuliert, der diese Defizite heilen sollte. Das haben wir im April ausführlich dokumentiert wie auch den Sitzungsverlauf. Breite Ablehnung des „AfD“-Antrages und Einigung darauf, dass ausgehend von den Vorschlägen des Landrates eine Arbeitsgruppe des Kreistages ein Konzept für die Unterbringung erarbeitet und einen neuen Beschlußvorschlag des Landrates. Unsere Fraktion war dort vertreten durch Kreisrat Thomas Pilz (Bündnis 90/ Die Grünen)

Dies ist den Sommer über erfolgt. Nach dem Gang durch die Ausschüsse lagen dem Kreistag zum 18.10. 2023 vor: das Strategiepapier „Unterbringungskonzept Unterbringung von Asylsuchenden im Landkreis Görlitz“ vom Oktober 2023 mit engbedruckten 35 Seiten und eine Beschlußvorlage. Das Papier ist jetzt nach der Beschlußfassung öffentlich und ein „Studium“ wird empfohlen.

Der Beschlußtext selbst ist bewusst „schlank“ gehalten, macht aber deutlich, wir das Thema behandeln wollen und entspricht vollumfänglich der politischen Intention unserer Fraktion:

„Der Landkreis Görlitz wird seinen Verpflichtungen zur menschenwürdigen Unterbringung von Asylsuchenden und Migranten nachkommen und bestätigt das beigefügte `Unterbringungskonzept – Unterbringung von Asylsuchenden im Landkreis Görlitz´ (Anlage).

Die Bundes- und Landesregierung wird im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips und des Konnexitätsprinzips aufgefordert, den Landkreis dazu materiell und finanziell in die Lage zu versetzen insoweit das aus eigenen Kräften nicht geleistet werden kann.

“Ich habe für unsere Fraktion zur Vorlage gesprochen unter der Maxime „Einsicht in Notwendigkeiten zeigen“ und dabei folgendes betont: Beschluß und Konzept dienen dazu,

  1. unser landkreisinternes Umgehen als kommunale Familie der Städte und Gemeinden zu ordnen im Sinne eines fairen und transparenten Lastenausgleichs
  2. Qualitätsmaßstäbe für die Gemeinschaftsunterkünfte anzuwenden
  3. den Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises begründen zu können, auf welcher Grundlage wir entscheiden (müssen).

Mehr nicht, aber das ist eine ganze Menge und ein Fortschritt. Die Umsetzung wird viel Arbeit, Kraft und Nerven kosten und ich hoffe, dass diese Basis ein Stück weit zum inneren Frieden beitragen kann.

Die Abstimmung: Ja-Stimmen = 37, Nein-Stimmen = 20, Enthaltungen = 4, und damit angenommen.

Fazit aus der Kreistagssitzung mit heißen Diskussionspunkten

Was lernen wir daraus? Ebenso wie beim Thema Krankenhausreform zeigt es sich, dass große und konfliktträchtige Themen Bearbeitungszeit brauchen, breite Beteiligung und ein ernsthaftes Bemühen um einen breiten Konsens der Demokraten im Kreistag in gemeinsamer Verantwortung mit dem Landrat und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Schielen auf kurzfristige parteitaktische Gewinne (?) und populistische Agitation helfen weder uns noch der Problembearbeitung. Sondern Kompromißbereitschaft UND Prinzipienfestigkeit da wo es jeweils nötig ist, Pragmatismus und absolute Seriosität in der Sache und im Umgang miteinander.

Der Bericht vin der Kreistagssitzung vom 18.10.2023, verfasst vom Kreisrat Prof. Dr. Joachim Schulze (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied der Fraktion BündnisGrüne/SPD/KJiK

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